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Der Bund

 

Die Evangelische Jugendschaft Zugvogel (EJZ) wurde Silvester 1986 gegründet. Die ersten Gruppenstunden fanden mit den Konfirmanden des Jahrgangs 1986 im Keller des Luise-Scheppler-Haus statt. Durch die Gründung von zwei weiteren Gruppen 1988, wurde der Keller, der ohnehin schon sehr stark frequentiert war, zu klein und es wurde nach geeigneten Räumen umgeschaut. Im Herbst 1989 wurde mit dem Ausbau der neuen Jugendräume im Wicherhaus begonnen. Die Räume waren Ende 1990 fertig und der Umzug der EJZ ins Wicherhaus war möglich. Seitdem haben wir unsere Gruppenstunden im Wicherhaus. Die Jugendschaft wächst nun stetig und hat im Jahr 2007 ihr 20 jähriges Jubiläum.

Was ist bündisch oder was beinhaltet den Begriff "bündisch"?

Diese Frage wird von fast jedem, der darüber eine Aussage zu machen bereit ist, etwas anders beantwortet. Doch gibt es einige Grundelemente, die in jedem ernsthaften Beschreibungsversuch wiederkehren."Bündisch" ist fast alles, was die alten Traditionen der Jugendbünde der Gründerzeit (Wandervogel) fortfährt, nicht ohne allerdings den geschichtlichen Wandel zu beachten (dj 1.11) und eine zeitgemäße Anpassung dieser Traditionen vorzunehmen. Zu diesen Traditionen zählen die Fahrt, das intensive Leben mit und in der Natur, das Singen der alten Lieder, die Kohte mit all ihren Stilelementen, die Kluft, sowie das Streben nach innerer Wahrhaftigkeit und freier Selbstbestimmung in der jugendlichen Gemeinschaft.

1. Die Fahrt

Sie war ursprünglich der Versuch der Jugend (Jahrhundertwende) aus den Körper und Geist beengenden Konventionen jener Zeit auszubrechen, sich elterlichen und gesellschaftlichen Repressionen zu entziehen. Hier wurde deutschen Mädchen und Jungen zum ersten Mal die Möglichkeit gegeben unverkrampft miteinander und der Natur umzugehen. Durch Gesellschaftsreformen und Zeitenwandel hat diese Begründung für bündische Fahrt allerdings an Bedeutung verloren. Geblieben ist der Drang aus den Städten hinaus in die Natur zu gehen, um selbige im Kreise der vertrauten Kameraden bei bewusstem Verzicht auf Luxus und Konsumgüter (Süßigkeiten, zuckerhaltige Erfrischungsgetränke, Elektrogeräte etc.), hautnah zu erleben. Auf den Wanderfahrten formt sich der Charakter der Gruppen. Durch das einfache, enge Zusammenleben und das vollständige Aufeinander-angewiesen-sein auf Fahrt wird jede kleine menschliche Schwäche erkannt, müssen Konflikte ausgetragen und bereinigt werden, wird der junge Mensch gezwungen Sozialverhalten zu erlernen, damit die Gruppe, an der jedem nach kurzer Zeit etwas liegt, nicht auseinanderbricht. Der Jugendliche lernt nicht Individualist, sondern Individuum in einer tragenden Gemeinschaft zu sein, für die er auch bereit ist Opfer zu bringen und einzustehen. Des weiteren kommt jeder auf Fahrt irgendwann an die persönliche Leistungsgrenzen: Durchhaltewillen, Selbstdisziplin und bessere Selbsteinschätzung sind die natürlichen Folgen. Doch ist auf Fahrt nicht das Erbringen von Höchstleistungen, das Kilometermachen, sondern Naturliebe, Naturverbundenheit und Naturverständnis das Ziel. Das alles setzt aber ein intensives Beschäftigen mit eben dieser voraus.

2. Das Leben und Erleben der Natur

Es reicht einfach nicht, hinauszugehen und alles sehr schön zu finden. Man muss wissen, welcher seltene Vogel dort singt, dass die eben fast zertretene Blume unter Naturschutz steht, wo Heilkräuter zu finden sind, was für ein Tier hier die Zweige abgefressen hat und welche ökologische Nische es weshalb besetzt. Nur so kann ein ganzheitliches Verstehen und Erleben der Natur erreicht werden. Auch das der Natur "Zu hören können" zeichnet einen Bündischen aus. Das Murmeln des Baches, das Zirpen der Grille, das Summen vieler Insekten und das Rauschen der Bäume müssen für ihn / sie Erlebnisse, nicht Kulisse oder Rahmenprogramm sein. Aus dieser Sicht heraus versteht es sich von selbst, dass man auf Großfahrt nicht lärmend marschiert, am Lagerplatz kein lautes Geschrei bzw. sonstiger Lärm (z.B. unnötige Axtschläge) zu hören ist und grundsätzlich gedeckte Farben gewählt werden, um in der Natur nicht unnötig aufzufallen; weder den Menschen, noch den Tieren. Diese Art von Naturverständnis kann nur schwer im Rahmen der Gruppenstunden und Fahrten beigebracht werden. Am ehesten lernen Jugendliche dieses Verständnis durch interessierendes Vorbild der Leiter, die sie auch zu Einzel- oder Doppelstreifen in Wald, Feld und Flur ermutigen sollten, welche das Gesamtbild abrunden.

3. Das Liedgut

Von je her bemühte sich die bündische Jugend um die Wiederbelebung des alten Volksliedgutes. An erster Stelle sei hier das deutsche Volkslied genannt, das in unserer Gesellschaft kaum mehr einen Stellenwert hat, gregorianische Choräle gehören dazu und seit den ersten Auslandsfahrten des "Nerother Wandervogel" sind ausländische Volksweisen ebenfalls Teil des bündischen Liedgutes, genauso wie die Landsknecht- und Kosakenlieder. In der bündischen Jugend hat sich aber auch ein eigenes Liedgut entwickelt, das wie die vorher genannten Liedsparten zu jeder Fahrt und in jede Kohte gehört. Anzustreben ist stets der mehrstimmige Gesang. Nicht in bündische Horden gehört "modernes" anglo-amerikanisches Liedgut, sowie Rock- und Popmusik, wie sie von Schulklassen bevorzugt wird. Auch deutsche Liedermacher gehören nicht uneingeschränkt ins Programm, da der Geist der Lieder nicht der des Volkes, sondern der des Polit-Revoluzzers ist. An Instrumenten gehören Gitarre und Flöte zur bündischen Musiktradition, können aber durch Mandoline, Balalaika, Mundharmonika, Bandoneon, Fiddel und evtl. Kazoo ergänzt werden. Alle Instrumente sind jedoch nur ausnahmsweise Solisten; ihre Hauptaufgabe liegt in der Begleitung des mehrstimmigen Gesangs

4. Die Kohte,

das Feuerzelt der bündischen Jugend. Sie ist der Ort, wo wir uns sammeln und versammeln, wo das Herz der Gruppe schlägt, stets ein Feuer brennt und alle in einem Geist beisammen sein sollten. Das schlichte Wesen einer Kohte duldet keinen Prunk, keine Zwietracht, keine lärmende Gesinnung, keine niveaulosen geistigen Flachheiten und auch nicht die falschen, kraftlosen Töne modernen Liedgutes. Wer diese Dinge in eine Kohte trägt, zerstört ihren Mythos und ist ihrer nicht würdig. Das heißt nicht, dass in einer Kohte nicht auch gelacht werden darf und soll. Sie ist bestimmt nicht das Zelt der Trauerklänge und ernsten Mienen, aber auch nicht das der stil- und niveaulosen rauchenden Trunkenbolde, so wie das Kohtenfeuer keine Müllverbrennungsanlage sein soll. Es brennt Tag und Nacht, sobald die Kohte steht und wird treulich versorgt. Es ist der zentrale dienstbare Geist zum Kochen, wärmen, versammeln, aber nicht zum Experimentieren und zündeln. Die Nachtwache an solchen Feuern in der Kohte lehrt uns das Zuhören (dem Feuer, der nächtlichen Natur, sich selbst) , Verantwortung für das Wohl der Kameraden zu tragen (Feuer kann gefährlich sein), sowie die Meditation. Deshalb sollte sie, wann immer möglich, durchgeführt werden.

5. Die Kluft

Warum Kluft, das sieht doch so militaristisch aus ?!, ist eine der vielgeäußerten Ansichten, wenn es um das Tragen von Kluften geht. Die Kluft ist äußerlich gewiss eine Art Uniform, die uns Unseresgleichen sofort kenntlich macht. Wer Kluft trägt ist fast sicher Bündischer oder Pfadfinder. Doch die Kluft hat noch andere Aufgaben. Innerhalb der Gruppe und des Bundes gilt sie als Zeichen der Solidargemeinschaft (einer für alle, alle für einen), was sich in unserem Bund auch in den Versprüchen siehe Ordnung der EJZ, die eine Hilfspflicht gegenüber allen "Graujacken" beinhalten, zeigt. Aber mit dem Tragen unserer Kluft wollen wir auch eine innere Haltung ausdrücken, nämlich das Streben zu Gruppe, Bund und ihren Mitgliedern gegen alle Anfechtungen. Das Tragen drückt in freier Selbstbestimmung Loyalität und Gemeinschaftsgefühl aus. Die Kluft ist nicht nur ein praktisches Kleidungsstück, sondern Ausdruck unserer bündischen Haltung.

6. Innere Wahrhaftigkeit

In der Meissner-Formel der freideutschen Jugend 1913 taucht dieser Begriff zum ersten Mal auf, zusammen mit der Forderung nach freier Selbstbestimmung der Jugend. Für uns bedeutet innere Wahrhaftigkeit, nur das für unser Leben zu akzeptieren, was wir selbst im Herzen als gut erkannt haben. Nicht die aufgesetzten Normen der Gesellschaft und Elternhäuser, sondern das, was dem jungen Menschen wirklich Halt, innere Stärke und Größe gibt, was das Gute im Menschen hervorbringt, ihm nicht zum Opportunisten und Leisetreter macht, bedeutet für uns innere Wahrhaftigkeit. Herzensbildung und Bildung ganzheitlicher Menschen (Geist, Körper, Seele) in freier Selbstbestimmung ist das Ziel, das wir mit dem Spruch "Erkenne Dich selbst und werde der Du bist !" verfolgen. Der ganzheitliche Mensch, den wir meinen, wird stets ein unbequemer, aber aufrechter Mensch mit einem klaren Gefühl für Recht und Unrecht, Gut und Böse sein, der zu sich selber steht. Dafür ist innere Wahrhaftigkeit, die zwangsläufig auch zu einer Äußeren wird, ohne den faden Beigeschmack der Falschheit, Verlogenheit (auch sich selbst gegenüber) und des Opportunismus Voraussetzung.Das "Bündische" wird erst durch die Symbiose aller Elemente - Fahrt, Naturverbundenheit, Liedgut, Kohte, Kluft und innerer Wahrhaftigkeit in freier Selbstbestimmung - zu eben dem Einzigartigen, das bereits unsere Großmütter und -väter anzog. Fehlt eine Komponente oder wird sie verfälscht, verdient eine solche Arbeit den Zusatz "bündisch" nicht mehr.

Christlich-bündische Arbeit

Die christlich-bündische Arbeit sollte alle Elemente der bündischen Arbeit enthalten, wobei hier die Erziehung im christlichen Glauben mit eingebracht wird. Die Vermittlung des christlichen Menschenbildes (Nächstenliebe, Hoffnung, Vertrauen auf die Erlösung) gehört zu den Grundaufgaben. Ein weiteres Ziel ist, gekoppelt mit dem Leben in der Natur, ein Erfahren und Begreifen der Schöpfung und der Allmacht Gottes zu vermitteln. Obwohl sich die bündischen und die christlichen Ziele nicht ausschließen, sondern ergänzen, steht eine solche Arbeit doch stets in der Gefahr von Fanatikern der einen oder der anderen Richtung zu rein christlicher bzw. zu rein bündischer Arbeit umfunktioniert zu werden. Dies schadet dem Ansehen einer solchen Arbeit und ihrem Selbstwert. Daher gilt es Extreme mit allen Kräften zu beseitigen.

Thommy

Jugendschaftsleiter a.D